Europa – langsames Heimkommen…

Noch umkorrigierter Draft..

17.September 2015, 7:00 Uhr, wir haben wieder europäischen Boden unter den Füssen. Bis auf die kurze Unruhe beim Umsteigen in Abu Dabhi verlief unser Flug reibungslos. Unser Kabelschloss war bei der Handgepäckkontrolle unangenehm aufgefallen – wir sollten es abgeben. Mal wieder hat uns freundliches, beharrliches Diskutieren weitergeholfen. Am Ende wird ein Etihadmitarbeiter zu uns gerufen der kurzerhand das Fahrradschloss samt der ganzen Tasche eincheckt und ins Cargo gibt – kein Problem. Am Ende haben wir also statt zwei Gepäckstücken mit je 32 kg, insgesamt vier Gepäckstücke mit insgesamt 86 Kg aufgegeben.

Jetzt heißt es Fahrrad zusammen basteln und wieder in die Pedale treten. In diesem Augenblick sind wir unendlich froh über unsere Entscheidung nicht direkt nach Hamburg zurück zu fliegen sondern in die Schweiz um von dort aus zurück zu radeln und langsam heimzukehren. Von der Atmosphährift und wir können die Leute wieder verstehen – jedenfalls einigermaßen:). Wir sind also schon halb zuhause und gleichzeitig bleibt uns noch für einen knappen Monat unser inzwischen geliebtes Nomadenleben. Einfach auf das Bambusrad setzten, Radfahren bis kurz vor Einbruch der Dunkelheit und dann schauen wo man die Nacht verbringt. Inzwischen sind wir da ganz entspannt geworden und quatschen die Leute an Ort und Stelle einfach an. Das ganze Jahr lang haben wir ausschließlich gute Erfahrungen gemacht, also ziehen wir zurück in Europa optimistisch und auch ziemlich neugierig los.

Nach 23 km kommen wir an unserem ersten Wirtshaus vorbei und Tim besteht auf ein frisch gezapftes Bier. Ein anderer Gast hört gespannt unseren Geschichten zu und lädt uns prompt auf unsere Getränke ein. Inzwischen ist es schon spät geworden, daher fragen wir im Wirtshaus ob es möglich ist hinter dem Haus unser Zelt aufzuschlagen. Sofort bekommen wir die Erlaubnis auf der großen Weide hinter dem Wirtshaus zu zelten. Am nächsten morgen regnet es und wir schlürfen vor der Abfahrt noch einen Kaffe im Gasthaus. Bezahlen dürfen wir nicht – „ihr seid eingeladen“. Wow. Wir setzten uns auf die Räder und wollen gerade los, da spricht uns ein Bauarbeiter an. Von der Statur ein richtiger Bauarbeiter: sehr groß und ganz viele Mukkis. Der Afrikaner spricht uns im Schweizerdeutsch an. Eigentlich spricht er eher Tim an. Er fragt fast schüchtern ob er wissen dürfe wie lange Tim sich seinen Bart hat wachsen lassen. Bewundernd schaut er Tims Bart an und sagt: „ der ist sooo schön!“.

Irgendwann im Laufe dieses regnerischen tages passieren wir die Grenze zum Fürstentum Lichtenstein. Es ist schon dunkel geworden und Tim meint es wäre besser wenn ich allein zu der Haustür des Bauernhauses gehe um zu fragen ob wir auf der Weide zelten dürfen – so eine bärtige gestallt im halbdunkeln sei vielleicht nicht gerade vertrauenserweckend. Also betrete ich allein das Grundstück. im Garten hoppelt ein Zwergkanninchen – ich bin froh das es kein kläffender Wachhund ist. In zweieinhalb Sätzen erkläre ich dem Bauern unsere Situation und erhalte sofort die gewünschte Erlaubnis und nicht nur das. Der Bauer begleitet uns durch den Regen, führt uns auf seinen Hof und bietet uns an unser Zelt unter dem Schuppen aufschlagen – ein trockener Platz wäre doch gemütlicher bei dem Regen. Außerdem dürfen wir Toilette und Dusche benutzen und Tim bekommt noch eine Flasche Bier aus dem Fürstentum geschenkt. Schon wieder „wow“. Der Bauer ist übrigens Brasilianer. Da ist man im Fürstentum Lichtenstein und übernachtet bei einem brasilianischen Landwirt – verrückt.

Vierter Tag, viertes Land. Heute passieren wir die Grenze zu Österreich. Nach dem wir in der Schweiz die erste Gelegenheit ein frischgezapftes Bier zu trinken mitgenommen haben, bleiben wir uns treu uns investieren die ersten Euro in Würstchen, Senf und Semmeln. Unterwegs treffen wir einen holländischen Radreisenden der auf den Weg nach Rom ist und später einen südkoreanischen Radreisenden auf den Weg nach Stockholm. Immer wieder werden wir interessiert von netten Leuten nach dem woher und wohin angesprochen. Am Abend heißt es heute wildcampen. Wir finden einen schönen Platz im Wald an einem Fluss.

20.September, heute steht unser letzter richtiger Pass auf dem Plan. Gestern haben wir es bis auf 700 Höhenmeter geschafft. Heute soll es bis auf 1800 m gehen. Wir strampeln 300 Höhenmeter, dann kommt es zu einem plötzlichen, ungewollten Abbruch. Auf der Hauptstraße ist der Tunnel gesperrt und alle Autos müssen nun die Passstrassen fahren. Diese ist daher sehr stark befahren und wurde für Radfahrer gesperrt. Ein Busshuttle für Fahrradfahrer wurde als Alternative eingerichtet. Für 6 Euro pro Person müssen wir uns also ob wir wollen oder nicht per Bus den Pass hochfahren lassen. Auf der Passhöhe dürfen wir aussteigen und ab jetzt wieder selbst fahren. Wir genießen eine tolle Abfahrt, auch wenn es ein bisschen an uns nagt, das wir uns den Anstieg nicht selbst erarbeitet haben. Ab jetzt folgen wir dem Inn und kommen tatsächlich an den Punkt an ab dem wir auf der Strecke fahren die wir schon auf dem Hinweg gefahren sind. Ein seltsames Gefühl. Um 23:15 Uhr kommen wir nach 160 km nach der längsten Etappe unserer Reise beim Alpencamping Mark an. Hier wurden wir vor knapp einem Jahr super nett aufgenommen und sogar eingeladen. Wie im letzten Jahr ist es auch jetzt bereits stock dunkel. Unsere erste Nachtetappe liegt hinter uns.

Am morgen treffen wir die Campingplatzinhaberin Frida Mark. Sie erkennt uns sofort wieder und wir tauschen uns über das vergangene Jahr aus. Wir freuen uns riesig über unser Wiedersehen. Sie ist einfach eine großartige Frau. Ihren Mann konnten wir leider nicht wieder treffen, sondern nur Grüße ausrichten. Mit einem Kuss auf die Wange und einem „meine Liebe begleite euch weiter“ werden wir herzlich verabschiedet. Am Abend kommt es zu einem zweiten Wiedersehen. Dieses Mal mit einem Teil unserer Geschwister. Verabredet sind wir in einem Gasthof in Reit im Winkel der bestimmt ein paar hundert Meter über dem Dorf liegt. Wer hat den bitte rausgesucht? Um dorthin zu gelangen müssen Tim und ich uns nochmal so richtig verausgaben. Die Straße geht einfach ohne Kurve, gerade den Berg hinauf…aber das Ziel ist zum Glück in Sicht. Es ist so schön seine Lieben wieder in die Arme zu schließen. Wir verbringen einen fröhlichen Abend im Gasthof und freuen uns auf ein paar Tage Kletterurlaub mit unseren Geschwistern. Wieder sind wir ein Stückchen mehr nach Hause gekommen.

Nach einer Woche „Familienurlaub“ geht unsere Reise am 29. September weiter. Der nun wirklich letzte Abschnitt eines großartigen Abenteuers. In 11 Tagen, am 10.10, wollen wir in Hamburg ankommen. Wir genießen jeden Tag und können nicht fassen das dieses großartige Jahr nun wirklich dem Ende zugeht. Wer meint die Deutschen seien weniger gastfreundlich als Menschen anderer Nationen irrt sich. Auch auf unserer letztes Etappe haben wir viele tolle Begegnungen. Bisher war es so das wir oft gar nicht nach einem Schlafplatz fragen mußten, die Leute sind auf uns zugekommen und haben sich erkundigt wo wir die Nacht verbringen oder ob wir etwas benötigen würden. Das ist ein kleiner Unterschied zu Deutschland – hier muss man meist selbst den ersten Schritt machen und auf die Menschen zugehen, dann erfährt man aber die gleiche Gastfreundschaft wie sonst in der Welt. So schleppen wir die ersten 2,5 Tage unsere Einkäufe mit uns rum und kommen auf Grund von Einladungen nicht dazu sie aufzubrauchen. Wir dürfen unser Zelt auf dem Hof eines Landwirts aufschlagen. Am Abend werden wir in die Stube auf ein Glas Wein eingeladen, dürfen den Herd zum Kochen nutzen und kommen mit der Familie nett ins Gespräch. Am nächsten morgen werden wir zum Frühstück eingeladen und kosten die frische Milch von den eigenen Kühen.

Einen Tag später gleich die nächste Einladung bei einem lieben Rentnerehepaar. Lenz ist gerade mit seinem Rad unterwegs. An der Bahnschranke hält er neben uns. Ihm fällt nicht nur unsere schwere Last sondern auch die besonderen Räder auf. So kommen wir ins Gespräch, dem am Ende seine Einladung folgt bei ihm und seiner Frau die Nacht zu verbringen. Lenz und Annemarie nehmen uns herzlich auf. Schnell wird ein Zimmer für uns bereitet. Wir dürfen die Dusche nutzen und genießen anschließend eine gemeinsame,herrliche Brotzeit. Lenz und Annemarie sind früher selbst viel gereist und haben spannende Geschichten zu erzählen so wird es heute Abend mal wieder etwas später. Die Nacht in einem kuscheligen, richtigen Bett ist natürlich großartig. Bevor wir wieder auf die Räder steigen dürfen wir an dem reich gedeckten Frühstückstisch Platz nehmen.

Nachdem inzwischen auch schon wieder zwei Nächte im Zelt hinter uns liegen wollen wir uns heute, vielleicht ein letztes Mal eine warme Unterkunft gönnen. Wir sind in einem kleinen Ort im Thüringer Wald und sind überrascht das die erste Ferienwohnung bei der wir anfragen komplett ausgebucht ist. Bei unserem zweiten Anlauf sind wir erfolgreicher. Zwar ist auch hier die Ferienwohnung ausgebucht, aber es gibt eine lehre Wohnung vom Nachbarn, die kurzer Hand für uns geöffnet wird. Wir bekommen noch Milch, ein Bier, selbst gemachtes Brot und Eingemachtes geschenkt und als wir am nächsten Morgen bezahlen wollen dürfen wir nicht mehr als 5 Euro Energiekosten gebe. Deutsch Gastfreundschaft….

Kurz vor Hamburg. Die letzte Nacht vor unserer Ankunft in Hamburg verbringen wir auf dem Hof von Bauer Rencken. Vor einem Jahr haben wir hier unsere erste Einladung erhalten und unsere erste anhaltende Reisebekanntschaft gemacht. Ein großartiges Wiedersehen mit abendlichem Würstchengrillen und Lagerfeuer. Wiedersehen, nicht nur mit Familie Recken sondern auch mit Tims Bruder und dessen Kindern, die heute nacht ihr Zelt neben unserem aufschlagen.

Heute ist Tag 373 unsere Reise. Der letzte Tag. 60 Km Fahrt, blauer Himmel, Sonnenschein und nerviger Gegenwind. Für die letzten 500 Meter brauchen wir seeeeehr lange, nicht auf Grund des Gegenwindes sondern weil wir das Ende unsere Reise versuchen ein kleines bisschen von uns weg zu schieben. Gleich sind wir da… Von weitem sehen wir bei der letzten Kurve ein Kind weglaufen. Mein Neffe?! Wir hören Trillerpfeifen und Rufe. Wir kommen um die Kurve und rollen die letzten Meter unter Konfettiregen aus. Auf der Straße stehen winkend und rufend unsere Eltern, Geschwister, Schwager und Schwägerinnen, Neffen, Nichten und auch ein paar Nachbarn. Einer nachdem anderem wird in die Arme geschlossen…ein unbeschreibliches Gefühl. Wir sind wieder ZUHAUSE.

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