Am 5. August geht unsere Reise nach fast dreiwöchigem Aufenthalt in Kashgar endlich weiter. Mit dem Bus knapp 1500 km durch die Taklamakan-Wüste von Kashgar nach Golmud. Tim wird am Ticketschalter erstmal abserviert. Auf seine Frage „Do you speak english“ erhält er die Antwort „no“. Er versucht sich in Zeichensprache und zeigt ein Foto von unseren Rädern um zu verdeutlichen das diese auch mitgenommen werden müssen. „No“ lautet die einzige Reaktion. Tim wird ab jetzt nicht mehr beachtet. Die 1000 Leute hinter ihm, die sowieso schon ungeduldig geworden sind, drängeln sich vor. Wieder Draußen fragt Tim auf der Suche nach einem Dolmetscher einen Mann, ob er englisch spricht. Ein freudiges „Yes“ ist die überraschende Antwort. Wie wir in den nächsten Minuten festgestellen, ist seine Antwort auch schon alles, was er auf englisch spricht. Auf unsere Fragen hin kommt keine Antwort, nur ratlosen gucken. Tim fragt noch zwei Mal, ob er denn wirklich englisch sprechen würde. Jedesmal erhellt sich sein Gesichtsausdruck und es wird „Yes, Yes!!“ behauptet. Auf Fragen hin kommt dann aber gar nichts. Es geht kein Stück voran.
Tim und ich beraten uns lange, was zu tun ist. Plötzlich steht der offensichtlich kein bißchen englisch sprechende Mann auf und deutet Tim an mitzukommen. Es geht zu den Bussen und er spricht mit dem Busfahrer. Die beiden reden sehr angeregt und brüllen sich förmlich an. Tim steht ratlos daneben und sieht ein, dass es wohl nicht so leicht werden dürfte. Plötzlich geht es jedoch ganz schnell. Aus heiterem Himmel ist alles geklärt, wir dürfen inklusive Räder mit, und sitzen wenig später im Bus nach Urumci. Sehr sehr eigenartig.
26 Stunden Busfahrt. Zum Glück sitzt man nicht auf einem Sitz sondern liegt in einem „Bett“. Tim sieht in dem Bett sitzend jedoch ein wenig bedauernswert aus. Die Betten sind eher für die chinesische Statur (so wie meine) ausgerichtet und nicht für einen 1,87 m großen Europäer. Die Geduld und Genügsamkeit der Chinesen beeindruckt uns, besonders die der älteren Herrschaften. Der Bus ist nur unzureichend belüftet und die Luft dem entsprechend heiß und schlecht. Von Mitternacht bis 3:00 Uhr morgens legt der Bus irgendwo in der Wüste eine Pause ein. Völlig unverständlich, schließlich gibt es zwei Busfahrer. Wir versuchen herauszufinden was der Quatsch soll. Mehr als ein „ist halt so, muss so sein“ bekommen wir nicht raus.
Während der Pause wird die ohnehin schon mangelhafte Belüftung ganz ausgestellt. Im Bus ist es nicht mehr auszuhalten. Also verlassen alle Leute, egal ob erst 2 Jahre alt oder schon uralt den Bus und warten die drei Stunden geduldig auf dem Parkplatz. Stühle oder Bänke gibt es nicht. Die meisten hocken sich einfach irgendwo hin. Manche legen sich kurzerhand auf den Asphalt und schlafen den Kopf auf der Handtasche abgelegt weiter. Spannend: Selbst nach vielen Stunden fahrt bewegen sich die alten Menschen als wäre nichts gewesen und können sofort wieder Ewigkeiten hocken. Tim und ich lassen uns nach einer Stunde von der Müdigkeit besiegen und steigen wieder in den stickigen Bus in unsere muffigen Betten wo wir zum Glück sofort ins Koma fallen.
In Urumci angekommen ist es zu spät um direkt weiter zufahren. Außerdem meinen die Busfahrer vor Ort, im Gegensatz zu den Informationen die wir bisher erhalten haben, das von hieraus überhaupt kein Bus nach Dunhuang fährt – da hätten wir viel früher aussteigen müssen. Super! Es scheint, als wenn überhaupt niemand irgendeine Ahnung hat, was ausserhalb seines Busbahnhofes los ist. Alle Fragen werden, wenn überhaupt, sehr wage beantwortet. Man soll sich jeweils an die entsprechenden Busstationen wenden. Klappt nicht, niemand spricht englisch.
Irgendwann, nach viel Nervenverlust, klärt sich, dass wir am nächsten Tag von irgendeiner Busstation in Urumci nach Dunhuang fahren können. Von dort müsste es die Möglichkeit geben, weiter zu unserem Zielort Golmud zu reisen. Wir entscheiden uns also die Nacht in Urumci in einem Hostel zu verbringen.
Aus einer Nacht im Hostel werden zwei. Es ist unglaublich mühsam Informationen zu bekommen und etwas zu organisieren. Zum Glück treffen wir Elephant, ein netter Chinese, der selbst gerade auf Reisen ist und im selben Hostel wie wir schläft. Sein chinesischer Familienname klingt ähnlich wie das Mandarinwort für Elephant. Deshalb ist dies sein Spitzname. Sein richtiger Name ist wie alle anderen natürlich sowohl unaussprechlich als auch nicht zu merken. Er telefoniert für uns um herauszufinden von welcher der Busstationen ein Bus nach Dunhuang fährt. Auch er bringt damit einige Zeit zu. Angeblich fährt heute ein Bus dort hin. Er zeigt uns auf Google Maps, wo sich die Station (vermutlich) befindet.
Foto einfügen: Elephant aus China, Simon aus Isreal, Tim: Cool Men!
Wir packen in Windeseile unsere Sachen und düsen zu der Busstation, die Elephant für uns ermittelt hat. Dort angekommen geht es erstmal durch die Gepäckkontrolle – alle Taschen müssen dazu vom Fahrrad abgebaut und auf das Förderband zum Durchleuchten gelegt werden. Anschließend stellt sich Tim beim Ticketschalter an. Als er an der Reihe ist, geht natürlich wieder kein englisch. Zum Glück gibt es jemanden in der Schlange, der übersetzen kann. Tim erfährt das heute kein Bus fährt. Wir sollen morgen wieder kommen. Uns ist das alles schleierhaft und das Nervenkostüm ist stark gebeutelt.
Also nutzen wir die Zeit in Urumci indem wir mit Elephants Hilfe eine chinesische Simcard kaufen. Bei der Auswahl der Rufnummer macht Tim natürlich alles falsch. Er wählt eine Nummer aus die zwei mal die Nummer 4 beinhaltet. Jedenfalls sind die Verkäufer und Elephant sehr sehr unzufrieden mit Tims Wahl – er soll eine neuer Nummer suchen. Weil er nicht kapiert, wo das Problem ist, sucht er irgendeine andere Nummer, die auch wieder eine 4 enthält. Wieder sind alle unzufrieden. Elephant klärt auf: Vier klingt im chinesischen wie „Tod“ und ist daher eine Unglückszahl. Ups! Die acht ist im Gegensatz die Glückszahl. Ihre Aussprache ähnelt im chinesischen der von „Geld“. Wenn man mal Wifi benötigt und das Passwort nicht kennt liegt man mit „88888888“ zu 95 % richtig. Tim sucht eine Nummer mit 8 und ohne 4 und alle sind glücklich. Puh.
Wir haben noch ein paar US $ die wir tauschen möchten. Also statten wir der Bank of China in Urumci einen Besuch ab. Inzwischen haben wir gelernt, dass in China nichts „einfach“ geht und vieles ein Problem ist. „Kein Prrrobläm“? Die Zeiten sind jetzt vorbei. Der Bankangestellte benötigt Tims Reisepass um für uns das Geld zu tauschen. Kein Problem. Tim wird gefragt aus welchem Land wir kommen. „Germany“. Germany steht aber nirgendwo im deutschen Reisepass und das ist ein Problem. Im Reisepass steht der Geburtsort, der bei Tim zum Glück Berlin ist. Tim fragt den Bankangestellten ob er wüsste wo Berlin liegt. Die Antwort lautet „Yes, Germany“. Dann ist doch alles klar? Ist es nicht, er blättert noch ewig im Reisepass, ob nicht doch irgendwo „Germany“ steht. Unfassbar. Hallo Bundesregierung: Wir haben da einen Vorschlag für die nächste Version des Reisepasses.: Schreibt irgendwo, egal wo, „Germany“ rein.
Irgendwann holt der Bankangestellte den Chef. Klare Chefsache. Der guckt auch nochmal lange und ernst. Tim wiederholt 20 mal „Deutschland – Germany – Déguó“ und wedelt dabei hilflos mit den Armen. Irgendwann ein gnädiger Blick vom Chef und dann gibts Yuan gegen Dollar. Einfach immer geduldig und freundlich bleiben.
Nachdem wir gestern unseren spontanen Extratag in Urumci hatten und neben ein paar Erledigungen eine tolle Zeit mit anderen Reisenden hatten, soll es heute endlich weiter in Richtung Golmud gehen. Da uns verschiedene Abfahrtszeiten des Busses gesagt wurden (16:00 Uhr, 20:00 Uhr) fahren wir sehr zeitig zur Busstation. Um nicht den selben Fehler wie gestern zu begehen und mit sämtlichem Gepäck einzuchecken, um anschließend wieder fortgeschickt zu werden warte ich mit den Rädern draußen während Tim zum Ticketschalter geht. Hinter der Glasscheibe sitzt die selbe Dame wie gestern. Tim zeigt ihr den Zettel, den er ihr schon am Vortag gezeigt hatte. Auf dem Zettel steht in chinesischen Schriftzeichen „Dunhuang“ (wenn wir versuchen die Städtenamen aussprechen versteht uns immer keiner obwohl wir finden, dass wir es GENAUSO ansprechen wie alle anderen). Die Antwort „heute fährt kein Bus“ verursacht Ratlosigkeit mit einer Priese Wut. Gestern hat uns doch dieselbe Frau gesagt, wir sollen heute wieder kommen und Elephant hat per Telefon für uns die Abfahrtzeiten des Busses ermittelt. Das kann doch alles nicht sein. Tim wird von der desinteressiert wirkenden Frau hinter dem Schalter zu einem anderen Schalter geschickt. Dort ist aber niemand. Eine ca. 20 jährige Frau hat die Situation verfolgt und fragt Tim ob sie helfen könne. Sie spricht nur sehr wenig englisch, tut aber ihr Möglichstes. Sie rennt herum und spricht mit allen möglichen Leuten. Am anderen Schalter taucht dann noch eine Person auf und Tim hört erneut, dass heute kein Bus fährt. Morgen? Nein! Übermorgen? Nein! Überübermorgen? Nein! In einer Woche? Nein. Jetzt verstehen wir: Es gibt überhaupt keinen Bus, der von hier nach Dunhuang fährt. Manchmal versteht man die Welt nicht mehr. Tim ruft Elephant an, der für uns dolmetscht. Das Telefon wird wild hin und her gereicht. Die Gesamtsituation macht uns zunehmend sehr unzufrieden. Denkt denn hier keiner mal mit? Sind wir hier für immer gestrandet?
Plötzlich kommt die junge Frau wieder. Sie ist selbstständig zur Bahnhofschefin gegangen und hat im Hintergrund alles für uns geregelt. Unsere Rettung im Chaos, unser Engel! Tim soll ihr zur Bahnhofschefin folgen, Elephant bleibt am Telefon live dabei und übersetzt weiter. Die Bahnhofschefin erklärt nochmals das es kein Bus nach Dunhuang gibt. Es gibt aber ein Bus der nach Hami fährt. Von Hami wiederum fährt ein Bus nach Dunhuang. Abfahrtszeit ist in zwei Minuten. „Hurry up! Hurry up!“ Heute wäre es wohl doch besser gewesen wenn wir erst durch die Gepäckkontrolle gegangen wären…In Windeseile, unter tatkräftiger Hilfe des halben Busbahnhofspersonals und der Chefin, die den Bus persönlich aufhält und unsere Reisepässe kontrolliert („da steht ja nirgendwo Germany!“) wird unser Gepäck gecheckt und alles im Bus verstaut. Geschafft! Der Schweiß rinnt uns in Strömen aber die Reise geht weiter. Die war die mit Abstand komplizierteste und aufregendste Situation unserer Reise. Aber es sollte noch besser bekommen.
Natürlich ist es auch in Dunhuang sehr kompliziert. Aber dank unseres persönlichen Dolmetschers Elephant, der immer sofort am Telefon ist, bekommen wir alles geregelt. Elephant freut sich bei jedem Anruf, dass er uns helfen darf. „Thats my job my friend!“. In Hami kommen wir in einem eigenartigen Hinterhof unter. Davor gibt es einen Straßengrill, wo wir uns ein paar Spieße gönnen. Wir bekommen auch Schnaps und Tabak hingestellt. Nach einer Weile werden wir von anderen Besuchern des Grills auf Essen und Trinken (im wesentlichen gibts nur Schnaps) eingeladen. Der Abend wird sehr lustig. Sie singen uns schöne uigurische Volkslieder vor und es wird viel gelacht. Sprechen können wir wieder nicht, ein paar wenige russische und arabische Wörter werden verstanden, manchmal greifen zu Google Translate. Der Schnaps wirkt zusätzlich völkerverständigend. Lustig, ausgerechnet am letzen Abend in der muslimischen Kultur. Am Ende sind wir mal wieder eingeladen und dürfen nichts bezahlen. Alles wird stehen und liegen gelassen und wir fallen ins Bett. Am nächsten Morgen sieht es am Grill schlimm aus. Und ausgeschlafen haben wir auch überhaupt nicht. Ausserdem haben wir mit 46° einen der heißesten Tage unserer Reise erwischt. Wir sind also perfekt vorbereitet, um von 800 Höhenmeter auf 3500 zu fahren. Oh weh oh weh. Zum Glück werden wir gefahren.
Mit dem Bus geht es von Dunhuang nach Golmud. Wir kommen aus der Wüste in die Berge. Und irgendwo vor Golmud sehen wir die ersten tibetischen Gebetsfahnen. Kulturwechsel. Wir sind sehr gespannt. Beim Aussteigen empfängt uns frische 25 Grad warme Luft. Herrlich! Aber nach den Wochen davor fühlt es sich beinahe zu kühl an. Zum ersten Mal haben wir Schwierigkeiten, einen Schlafplatz zu finden. Zelt geht in der Stadt nirgendwo und alle günstigen Hotels/Hotels/Sonstwas, die wir fragen, dürfen uns aufgrund mangelnder Konzession Ausländer zu beherbergen nicht aufnehmen. Wir machen ein internationales Hotel ausfindig und fragen nach dem Preis: 80 €. Haha. Lustig. Wir verbringen noch viel Zeit mit der Suche nach günstigen Alternativen. Am Ende geben wir zermürbt auf und nehmen ein Hotel für 45 €. Komisch. Sonst war immer alles im Bereich von ein paar Euros.
- August. Nach drei Wochen im Hostel in Kashgar und sechs Tagen Busreise sind wir so froh endlich wieder auf unseren Freunden aus Bambus sitzen zu dürfen. Wir lassen Golmud, die Wüste und damit die Hitze langsam hinter uns und fahren weiter in die Berge. Nach 30 km dann eine Polizeikontrolle. Tim muss dem Polizisten in das kleine Polizeigebäude folgen. Unsere Reisepässe werden kontrolliert (etwas ratlos, weil da steht nirgendwo Germany). Plötzlich heißt es wir müssen umkehren, da wir nicht nach Tibet reisen dürfen. Was? Umkehren? Geht keinesfalls. Vor uns liegt die Krönung unserer Reise. Zurück, und dann durch die langweilige, fast unbewohnte Wüste? KEINESFALLS!
Tim erklärt, dass wir nicht in das autonome Gebiet von Tibet fahren wollen, sondern lediglich über das tibetische Hochplateu über Yushu nach Chengdu. Leider versteht ihn keiner. Selbst die Städtenamen erkennen sie nicht. Tim ruft Elephant an. Leider, zum ersten Mal, ist er nicht erreichbar. So ein Mist. Die Polizisten gucken streng, zeigen in die Richtung von Tibet und sagen „No! No!“. Tim schaltet auf Stur. Er setzt sich in den Sessel des Chefs der Station und guckt einfach nur aus dem Fenster und sagt von Zeit zu Zeit ebenfalls nur „No! No!“. Ein Polizist nimmt Tim in einen anderen Raum und zeigt irgendeinen Zettel dem man mit viel Liebe entnehmen kann, dass wir nicht nach Tibet reisen dürfen. Tim sagt zum 1000. Mal: „No Tibet! Sichuan!“. Der Polizist ruft seinen Vorgesetzten an, der unfassbar schlechtes Englisch spricht und sagt auch nichts anderes als das wir umdrehen müssen. Vermutlich ist eine 800 Kilometer breite Zone um Tibet herum, die Ausländer nicht betreten dürfen. So ein Mist!
Eskalationsstufe rot: Tim wird richtig wütend. Immer freundlich und geduldig? Am Arsch! Er läßt die Polizisten stehen und holt aus dem Fahrrad die Chinakarte. Immer wieder zeigt er auf eine winzige Straße, die in 150 Kilometern nach Osten in Richtung der Provinz Sichuan abbiegt. Und er zeigt, dass diese Strasse immer noch ein paar hundert Kilometer von Tibet entfernt verläuft. Es hilft nichts. Es bleibt bei „No!“. Völlig mürbe setzt sich Tim nach 45 Minuten Verhandlung wieder in den Sessel und guckt ein paar Minuten aus dem Fenster. Dann steht er auf, nimmt dem Polizisten die Reisepässe aus der Hand und sagt: „xiè xiè, now we go to Sichuan“. Ein bisschen so wie Obi-Wan Kenobi („wir dürfen passieren“) in seinen besten Zeiten. Sie kopieren die Reisepässe und nicken dann, haben aber vermutlich nicht verstanden. Tim kommt zu mir und sagt: „Nichts sagen, nicht gucken, einfach nur hinter mir her“. Im Sichtschatten eines passierenden LKW drücken wir uns an der Station vorbei und schwingen uns auf die Räder Richtung Tibet. Der Puls steht bei 180. Wird uns jemand verfolgen? Nach 2 Kurven entspannen wir etwas, keiner ist uns gefolgt. Puh!
Allerdings bleiben wir noch bis zur erwähnten Abzweigung nach Sichuan ziemlich angespannt. Wir vermuten, dass es noch eine Polizeistation geben würde, die per Funk über uns informiert wurde und wir dann für mindestens 30 Jahre bei Wasser und Brot eingesperrt werden. Nachts verstecken wir unser Zelt hinter dem Bahndamm der Tibetbahn. Ziemlich ungemütlich, weil diese ständig mit unglaublichem Lärm neben uns vorbei donnert. Aber besser als umkehren zu müssen. Einmal biegen wir in Sichtweite einer winzigen Polizeistation in die Wildnis ab. Sofort kommt aus der Station ein großes Gebrülle und die Polizeihunde kläffen wie blöde. Mist. Wir wollten doch möglichst unauffällig sein. Mit tief ins Gesicht gezogenen Mützen und ohne Augenkontakt springen wir wieder auf die Räder und düsen weiter. Irgendwie springt in dieser ganzen Aufregung der Tacho auf 10.000 Kilometer. Wow. Das müssen wir feiern! Ein chinesischer Radfahrer und zwei LKW Fahrer halten neben uns und wir zeigen unseren Tachostand und erklären das wir aus Deutschland hierher geradelt sind. Es dauert ein bisschen aber dann haben sie dank Google Translate verstanden, schütteln ungläubig ihre Köpfe und feiern mit uns. Der chinesische Radfahrer, der uns noch eine Weile begleitet, will noch 20 Kilometer weiterfahren und dann in einem Hotel übernachten. Er hat Mühe zu verstehen, dass wir in dieser großartigen Wildnis viel lieber draußen übernachten als in einem Haus. So müssen wir uns leider trennen. Den chinesischen Radfahrern, die oft nur auf einem Wochenendtrip unterwegs sind, müssen wir sehr merkwürdig vorkommen. Fast alle sind mit sehr leichten Rädern unterwegs und mit der aktuellsten High-Tech Rennrad-Mode bekleidet. Wir sind das komplette Gegenteil. Trotzdem sind wir schneller. Ha!
Wir kommen immer weiter in grandiose Natur und Einsamkeit. Außerdem gewinnen wir zunehmend an Höhe. Mittlerweile sind wir durchgehend auf über 4000 m unterwegs. Am 13. August kämpfen wir uns bergauf durch einen kräftigen Sandsturm. Natürlich Gegenwind. Aber das kann uns alles nicht mehr schocken. Wir sind einfach froh und überwältigt hier zu sein. Auch den einen Tag, den Tim noch krank ist, stecken wir neben der Tibeteisenbahnstrecke zeltend, locker weg. Allerdings sind verschnupfte Atemwege in dieser Höhe ganz schön anstrengend. Irgendwann erreichen wir die kleine Straße, nach Sichuan abzweigt, und wir können uns jeden Kilometer mehr entspannen.
Inzwischen sind wir schon seit Tagen auf dem tibetischen Hochplateau unterwegs. Die Luft ist zwar kühl, aber die Sonne brennt unfassbar stark. Zudem gibt es fast keine Luftfeuchtigkeit. Nach kurzer Zeit sieht unsere Haut, besonders unsere Lippen, schlimm aus. Wir versuchen uns so gut wie möglich zu vermummen. Komischerweise merken wir von der Höhe sonst kaum etwas. Vielen anderen Reisenden in dieser Gegend hat die dünne Luft (statt 1000 mbar nur 600) sehr zu schaffen gemacht. Wir vermuten, dass wir durch Tadschikistan und Kirgistan immer noch gut an die Höhe angepasst sind und wir voll mit roten Blutkörperchen sind. Wir können jedenfalls fast mit normaler Leistung fahren. Wenn man allerdings aus Spaß einen Sprint einlegt, ist innerhalb von Sekunden die Puste weg. Man hechelt dann wie ein alter Hund. Aber genauso schnell wie die Puste verschwindet, kommt sie dann auch wieder. Ansonsten merken wir es noch beim Kochen von Wasser welches hier bei vielleicht 80 Grad einsetzt.
Anstelle von Moslems treffen wir nun Tibeter, Kühe sind den mächtigen Yaks gewichen und die letzte Dusche liegt eine Woche zurück. Wir haben aber gelernt, dass ein Fluss in traumhafter, einsamer Natur durchaus eine Alternative zur Dusche darstellen kann. Unsere Zeltplätze haben oft nicht nur „Fließendwasser“, sondern auch ein traumhaftes Panorama direkt vor dem Schlafzimmerfenster – fünf Sterne Hotel mit Spabereich. Wir genießen jeden Tag.
Mönche, buddhistische Klöster und bunte Gebetsfahnen sieht man in jedem kleinem Ort oder auf den Passstraßen. Am 18. August haben wir die Ehre bei einer tibetischen Familie zu Gast zu sein. Wir halten bei einem Laden um ein paar Kleinigkeiten zu kaufen. Es ist bereits 18:00 Uhr und wir haben vor nach unserem Einkauf das Dorf zu verlassen und dann unser Zelt irgendwo aufzuschlagen. Als wir unseren Einkauf zusammen haben fragt die Verkäuferin ob wir ein gemeinsames Foto machen können. Nachdem „Fotoshooting“ wollen wir aufbrechen, erhalten aber die Einladung über Nacht zu bleiben. Wir nehmen die Einladung gerne an und verbringen einen unvergeßlichen Abend mit der Ladenbesitzerin, ihrem Mann und ihrem Sohn.
Das Haus der drei besteht aus zwei Räumen, dem Verkaufsraum und dem „Wohnzimmer“. Im Wohnzimmer steht ein Ofen auf dem gekocht wird, dazu gibt es ein Tisch und ein Sofa. Also auch Eß- und Schlafzimmer. In einer Ecke des Raumes ist ein buddhistischer Altar aufgebaut, auf dem eine Kerze brennt. Das gesamte Leben spielt sich in diesen beiden Räumen ab. Das Klo befindet sich draußen hinter einem der Nachbarhäuser, eine Dusche haben wir nicht gesehen. Was für ein anderes Leben. Wir werden von unseren Gastgebern überwältigend umsorgt. Extra für uns wird nochmal losgelaufen um Yakfleisch zu kaufen. Dann werden wir bekocht. Am Ende sind wir pappsatt. Leider spricht keiner der beiden englisch. Wir verständigen uns mit Händen und Füßen und mit Hilfe von Google Translate, was hier nicht allerdings besonders gut klappt da die beiden nahezu kein Mandarin lesen können. Trotz mangelnder Verständigungsmöglichkeit schließen wir einander schnell ins Herz. In der Nacht dürfen Tim und ich mit dem Sohn auf den Sofas im Wohnzimmer schlafen. Unser Gastgeberehepaar schläft im Laden auf einem kleinem Bett. Am morgen wird für uns Wasser zum Waschen erwärmt, anschließend Frühstücken wir gemeinsam. Den Einkauf von gestern dürfen wir nicht bezahlen und zudem werden wir noch mit Proviant für die nächsten Tage überschüttet. Draußen beginnt es wieder zu schneien, uns wird angeboten noch einen Tag zu bleiben. Von ein bisschen Schnee lassen wir uns nicht beeindrucken, wir müssen weiter. Bis Chengdu sind es noch 1500 Kilometer und unser Zeit läuft langsam ab. Zum Abschied werden die Köpfe aneinander gehalten und wir werden eingeladen im nächstem Jahr wieder zu kommen. Tim und ich sind wirklich gerührt von der Liebe die uns hier geschenkt wurde. Uns als völlig Fremden. Ohne das wir irgendwas zurück geben könnten, ohne das wir einander verstehen. Wir konnten nicht einmal rausbekommen wie die Drei heißen…
Tags darauf schneit es mal wieder. Wir sind glücklich und dankbar, das uns Orwi Merino Socken und Merino-Trikots geschickt hat. Auf der tibetischen Hochebene haben wir die Socken und das Trikot nahezu immer an. Wir sind begeistert von den Eigenschaften von Merino. Es wärmt, sogar wenn es feucht wird, ist sehr angenehm auf der Haut und das Beste: Selbst wenn man es tagelang trägt stinkt es nicht. Teilweise haben wir T-Shirts wochenlang ohne Wäsche getragen. Ein Zauberstoff. Sei jedem Reisenden dringend empfohlen.
- August. Nach 11 Tagen, in denen wir uns ununterbrochen auf über 4000 m Höhe aufgehalten haben und unseren höchsten Pass der Reise gemeistert haben (es ging bis auf 4803 m), kommen wir heute nach einer grandiosen Abfahrt auf ca. 3800 m in Yushu an. Ein netter junger Mann spricht uns an und hilft uns ein günstiges Hotel zu finden. So sehr wir unsere Outdoorduschen in den Gebirgsbächen genossen haben, nach 14 Tagen in der Natur genießen wir es sehr unter einer heißen Dusche zu stehen und hinterher nicht wieder in die verdreckten Klamotten sondern in die saubere „Ersatzgarderobe“ zu schlüpfen. Heute lassen wir es uns gut gehen. Am Abend sind wir mit dem jungen Mann essen. Er führt uns in die tibetischen Spezialitäten ein und wir verdrücken Unmengen an Manti. Ist, gelinde gesagt, alles recht würzig hier. Später schlendern Tim und ich durch die Stadt. Vor ein paar Jahren hat ein schreckliches Erdbeben einen großen Teil der Stadt zerstört. Seitdem wurde viel neu gebaut, deshalb macht Yushu einen sehr modernen Eindruck. Alles ist beleuchtet. Auf den Straßen sehen wir viele tibetische Mönche in ihren dunkelroten Gewändern. Mal wieder können wir uns nicht satt sehen. Mönche die auf Mopeds durch die Stadt düsen oder durch die moderne Einkaufsstraße schlendern. Vor jedem Geschäft steht ein Lautsprecher der meist in schlechter Qualität die Straße mit zweifelhafter Musik beschallt. Es scheint keinen zu stören, das zwei Meter weiter die Box vom Nachbarn scheppert und sich in einem chaotischen und für unsere Ohren unerträglichen Klangmatsch vermischt. Immer wieder sehen wir Leute, die sich neben den Lautsprechern auf dem Bürgersteig zum Tanzen zusammen gefunden haben. Auch sie lassen sich nicht beirren, wenn ein paar Meter weiter eine weitere Gruppe zu anderer Musik tanzt. Die Passanten bleiben teils stehen und schauen den Tänzern zu oder versuchen sich einen Weg durch diese zu bahnen. Beeindruckend, wie viel Leben hier auf der Straße auch spät am Abend stattfindet. Bei uns würde die Polizei solch ein lustiges Treiben direkt wegen Ruhestörung unterbinden.
Nach einer erholsamen Nacht in einem kuscheligem Bett verlassen wir Yushu. Am Stadtrand kommen wir an einer Tempelanlage vorbei. Eine Weile beobachten wir die für uns so fremde Welt der Buddhisten und versuchen alles in uns aufzusaugen. Yushu ist eine der Städte, die uns sehr gefallen hat und sie bleibt uns als unser kleines, persönliches „Lhasa“ in Erinnerung.
Von Yushu bis Chengdu – unsere letzte Etappe in China. Nach weiteren fünf Tagen im Sattel (Kilometerstand inzwischen 11895 km) und 24 Stunden per Anhalter auf einem LKW erreichen wir am 2. September Chengdu. Plötzlich scheint die Zeit wieder schneller zugehen. Wir schauen auf unsere letzten Tage auf dem tibetischen Hochplateu zurück. Wieviel beeindruckende Natur, welche Anstrengungen, wieviel Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft! Mit dem Fahrrad zu reisen ist wirklich das Beste. Aber auch die Fahrt per Anhalter war eine Erfahrung. Vielleicht ist sie für uns das gefährlichste der Reise gewesen. Unsere Fahrer ist nämlich wie lebensmüde gefahren. Nicht in jedem Moment waren wir uns sicher, Chengdu unversehrt zu erreichen. Völlig katastrophale Überholmanöver in Kurven, Vollbremsungen usw. Wir haben den Fahrer gefragt, was er in Chengdu vorhat: Nichts. Am Ende holt er damit ein paar Minuten raus – ohne das er die Zeit in Chengdu überhaupt braucht. Als wir einmal eine Vollbremsung machen weil ein Hund auf die Straße gesprungen ist und wir dabei fast im Graben laden, gucken wir unseren Fahrer streng an und versuchen ihn zum langsamen Fahren zu überreden. Netterweise versucht er es auch eine zeitlang.
Innerhalb kurzer Zeit haben wir die kühle, klare Bergluft verlassen und sind im subtropischen Chengdu angekommen. Neben dem Klima haben sich auch Sprache, Baustil, Kleidung, Bevölkerungs – und Verkehrsdichte geändert. Eigentlich ist alles anders. Ein komisches Gefühl, wo wir uns doch inzwischen so daran gewöhnt haben, Veränderungen sehr viel langsamer zu erleben. Wie wird es sich erst anfühlen bald im Flugzeug zu sitzen?
Aber das dauert ja zu Glück noch ein bisschen. Unser Flieger nach Zürich geht erst am 16. September und wir haben genug Zeit uns in der 13 Millionen Stadt zurecht zu finden, noch ein letztes mal, jedenfalls im Rahmen dieser Reise, eine neue Welt zu entdecken und alles für den Flug vorzubereiten.
Wir finden mit Unterstützung einer hilfsbereiten Frau ein kleines „Hotel“ am Stadtrandt in Flughafennähe. Es ist nicht besonders sauber und sehr klein, aber der Preis überzeugt uns am Ende hier zu bleiben. Wir hatten eine erholsamen, erste Nacht in Chengdu und haben gerade einen leckeren Kaffee im Bett genossen, da klopft und hämmert es ungeduldig an der Tür. Tim öffnet die Tür und fünf Polizisten starren uns an. Der vorderste dampft Zigarette und betritt sogleich unser Zimmer. Tim deutet ihm unmissverständlich an vorher seine Kippe aus zu machen. Der Polizist lässt seine Zigarette kurzerhand auf den Boden in unserem Zimmer fallen und tritt sie dort aus. Kein Problem. Als erstes werden unsere Pässe kontrolliert, dann wird sich nach unserem Gepäck erkundigt, was drin ist usw.. Irgendwann heißt es, wir dürfen nicht hier bleiben sondern müssen samt Gepäck mit zur Polizeiwache kommen. Das Hotel hat anscheinend keine Lizenz Ausländer zu beherbergen. Hatten wir nicht genau danach gestern gefragt? Was soll’s. Wir versuchen noch ein bisschen zu diskutieren, es hilft aber alles nichts. Die Polizisten machen es sich im Aufenthaltszimmer bei einer Tasse Tee gemütlich, während Tim und ich unseren ganzen Krempel wieder einpacken. Nach ca. 30 Minuten sind alle Taschen gepackt. Die Polizisten helfen uns sogar unser Gepäck runter zu tragen. Die Räder werden beladen und wir müssen einem Polizisten auf seinem Moped zur Polizeistation folgen. Wir sind sehr gespannt was als nächstes passiert. Auf der Polizeiwache angekommen dürfen wir erstmal Platz nehemen. Ein Polizist ist am hin und her telefonieren. Er versucht, wie wir nach einiger Zeit herausbekommen ein anderes Hotel für uns zu finden – unser schmales Budget haben wir ihm bereits mitgeteilt. Irgendwann scheint es ihm zu mühsam, er gibt Tim über sein privates Handy einen Hotspot, so das wir uns selbst ein Hotel oder Hostel raussuchen können. Nach einiger Zeit finden wir ein schönes Hostel 16 km von hier, sehr zentral in Chengdu gelegen. Der Polizist ruft für uns an, nur um sicher zugehen das auch Platz für uns ist, dann sollen wir ihm folgen. Vor der Tür steht ein Pickup auf den wir unsere Räder laden sollen. Dann geht es in Polizeibegleitung quer durch die Stadt. Sozusagen unsere erste kleine Sightseeingtour in Chengdu. Es ist die beeindruckteste Stadt in der wie je gewesen sind. Nach ungefähr einer halben Stunde fahrt und etwas Schwierigkeiten, das Hostel zu finden, erreichen wir unser Ziel. Der Polizist bleibt noch bis wir eingecheckt sind, hilft uns unser Gepäck abzuladen und verabschiedet sich dann. Da soll nochmal einer sagen die chinesische Polizei wäre unfreundlich. Man kapiert halt immer zuerst nicht, was die wollen.
Im Button Wood Hostel finden wir die perfekte Bleibe. Zentral gelegen, nettes, halbwegs englisch sprechendes Personal, gemütlich, viel Platz und internationale Gäste. Wir sind sehr froh über unseren Zwangsumzug. Die ersten Tage erkunden wir nur die Gegend rund um das Hostel. Meistens kommen wir erst am spätem Nachmittag los, da es morgens häufig stark regnet und ausschlafen an solchen Tagen einfach das sinnvollste ist.
Im Vergleich zu Chengdu wirken Hamburg und Berlin wie größere, dreckige Dörfer. Chengdu ist riesig, aber trotzdem geordnet, sauber und überraschend grün. Oder kommt es uns nach der langen Zeit nur so vor? Es gibt viele Parks in denen man häufig Menschen findet, die sich zum Tanzen treffen. Auch hier stört es die Leute nicht, wenn mal eine andere Gruppe ihren Lautsprecher nebenan aufbaut und ebenfalls zu tanzen beginnt oder vielleicht eine kleine Karaokeshow starten. Andere treffen sich zum Mahjong spielen oder machen Bewegungsübungen.
Essen kann man in China überall. Jedes zweite Geschäft ist eine kleines Straßenrestaurant. Das chinesische Essen schmeckt unbeschreiblich gut. Man sagt, dass Sichuan die schärfste Küche hat. Aber wir sind wohl schon abgehärtet. Heute Abend sind wir mit Ivan und seiner Freundin Joy unterwegs. Ivan haben wir im Hostel in Kashgar kennengelert. Er wohnt in Chengdu und hat uns gebeten uns bei ihm zu melden wenn wir in Chengdu angekommen sind. Er würde uns dann mit dem für Chengdu berühmten Hot Pot bekannt machen. Und so sitzen wir jetzt irgendwo in Chengdu mit zwei tollen Menschen zusammen und verbringen einen großartigen Abend in dem wir jede Menge über China lernen und vor allem leckeren Hot Pot (Feuertopf) essen. In der Mitte des Tisches steht über einer Gasflamme eine Schüssel mit einer heißen, stark gewürzten Ölmischung. Rundherum stehen Teller mit den verschiedensten Zutaten, die Ivan für uns vorher ausgewählt hat: Fleisch, Schweinevenen, Yam, Bambussprossen, Hasenniere, Hünerknöchelchen…Die Zutaten werden nach und nach in das heiße Öl geschmissen und wenn sie gar sind kann sich jeder mit Hilfe von Stäbchen „fischen“ gehen. Der „Geist“ des Hot Pot ist, so wird uns erklärt, Szechuanpfeffer und Chilli. Es ist wirklich richtig scharf und heiß, aber trotzdem sehr lecker. Andere Gäste haben ihr Shirt ausgezogen und sitzen schwitzend mit nacktem Oberkörper an ihrem Hot Pot. Das ist in China kein Problem. Auch die Raucherei nicht. Zwischendurch wird gedampft was das Zeug hält und die Kippe nach gebrauch auf den Boden geworfen. Von Zeit zu Zeit kommen die Bediensteten und fegen die Kippen wieder weg. So spart man sich auf dem knappen Tisch den Aschenbecher. Super!
- September. Abreisevorbereitung. Wir fahren zu einem Fahrradladen um uns Kartons für unsere Räder zubesorgen. Der amerikanische Inhaber des Fahrradladens ist super nett UND verkauft Bambusräder! Was für ein Zufall. Die Kartons kaufen wir nebenbei, viel spannender ist es mal wieder sich auszutauschen. Jacob (der Inhaber) lädt uns ein bei der für morgen Abend geplanten Radtour durch die Stadt mitzumachen. Und so finden wir uns einen Tag später in Mitten von rund 30 anderen Radfahrern vor Jacobs Laden wieder. Ein Bambuslastenrad wird mit dicken Boxen beladen, jeder bekommt ein Bierchen und los geht die Partytour durch die Stadt. Schon wieder ein richtig toller Abend.
Heute haben wir tatsächlich mal einen Wecker gestellt. 14. September, 6:00 Uhr. 6:00 Uhr? Eigentlich viel zu früh für uns. Für heute haben wir uns aber vorgenommen die Pandas zu besuchen und die sind, wie wir gehört haben, besonders morgens aktiv und werden im Laufe des Tages nur noch schlafen. Aber wenn man schon in der „Panda- Hauptstadt“ Chengdu ist und die Panda- Zuchstation nicht weit entfernt liegt, sollte man die Gelegenheit nutzen. Also aufstehen und los. Der Panda ist eines der nationalen Symbole Chinas, mal sehen was er kann. Das Aufstehen hat sich gelohnt. Wir sind dabei wie die Pandas hungrig auf ihr Frühstück warten und sich dann über den bereitgelegten Bambus hermachen. Sie sind sehr geschickt dabei die äußere Schale des Bambus zu schälen und dann das saftige innere zu fressen. Dabei setzten oder legen sie sich gemütlich hin oder lehen sich bequem aneinander. Nach dem Frühstück ist dann aber auch wirklich nicht mehr viel los bei den Pandas. Es scheint das sie an Ort und Stelle zusammen brechen um wieder zu schlafen. Einer schafft es gerade noch in den Pool, dann ist auch schon Feierabend. Sehr gemütliche und süße Tiere. Wie schade das es in freier Wildbahn kaum noch welche gibt.
Schon in den letzten Tagen haben wir versucht jeden Moment in uns aufzusaugen. Jetzt schlendern wir an unserem letzten Abend ein letztes durch Chengdu. Wir verabschieden uns mental von China, von Asien von all dem was wir in den letzten Monaten erlebt haben. Ein komischen Gefühl. Morgen werden wir im Flugzeug nach Zürich sitzen. Innerhalb von Stunden werden wir über all die Länder einfach so hinweg fliegen wo wir uns über die vergangenen Monate hinweg mit dem Fahrrad hindurch bewegt haben. Wo wir so viele großartige Begegnungen hatten. Jetzt ist es also wirklich soweit, wobei wir es letztendlich doch erst realisieren werden wenn wir wirklich im Flugzeug sitzen.
Ein letzter Abend in Chengdu ist vorbei, nun also ein letzter Morgen, ein letztes Frühstück, ein letztes chinesisches Essen von der Straßenküche…und dann sitzen wir im Kleinbus der uns und unsere zwei riesigen Kartons zum Flughafen fährt. So bald man einen Flughafen betritt hat man eigentlich schon nicht mehr das Gefühl im selben Land zu sein. Flughäfen sind fast überall gleich. Man ist eigentlich nirgendwo. Während wir so da sitzen und darauf warten das der Schalter zum Einchecken öffnet schauen wir immer wieder mit Sorge auf unsere Kartons und die Spannung steigt. Im Hostel hatten wir nur die Möglichkeit mit einer kleinen Küchenwaage (bis max. 10 Kg) jedes Einzelteil zu wiegen. Wir können also nur grob sagen wie schwer die Kartons sind. Mit Sicherheit wissen wir aber dass sie deutlich über dem von der Fluggesellschaft zugelassenen Maximalgewicht liegen und das jeder extra Kilo 85 Euro kostet. Als unsere Kartons dann endlich gewogen werden haben wir den Salat: So geht das nicht! Wir sollen nachzahlen. In großen Worten erklären wir, dass wir von Deutschland bis genau hierher geradelt sind und das unser Geld alle ist und das wir das alles nicht verstehen und gucken dabei so erschrocken wie es irgend geht. Die Dame sagt, wir sollen irgendwie umpacken. Damit läßt sie uns allein. Wir reduzieren die Kartons irgendwie auf 32 Kilo, das wirkliche absolute Maximalgewicht für ein Gepäckstück. Den Rest stopfen wir in 2 leere Radtaschen. Mittlerweile stehen eine Menge andere Leute um uns herum, die auch alle irgendwas von der Gepäckdame wollen. Das passt uns gut. Wir drängeln uns in die Diskussionen und sagen dass wir jetzt zwar umgepackt haben aber auch nicht wissen, was wir machen sollen. Wir brauchen ALLES morgen früh in Zürich und haben AUF KEINEN FALL das Geld, das Gepäck ordentlich zu bezahlen. Es wirkt. Irgendwann winkt sie uns mitleidig bis genervt durch. Wow. Knapp 1000 Euro gespart. Vielen Dank an die liebe Gepäckfrau von Etihad!
In diesem Moment sind wir unendlich froh, dass wir nicht direkt nach Hamburg fliegen, sondern erst in die Schweiz und von dort aus zurück mit dem Fahrrad fahren können. So ist die Reise wenigsten noch nicht ganz vorbei. Wir sind sehr gespannt welche Gastfreundschaft wir zurück in Europa und vorallem in unserer Heimat erleben werden und sind neugierig, wie sich das Normadenleben dort anfühlen wird.
Auf Wiedersehen China!