Turkmenistan – große Überraschung!

Mit Turkmenistan haben wir uns im Rahmen unsere Reisevorbereitung wenig beschäftigt. Uns war klar, wir werden nur ein Transitvisa für fünf Tage erhalten. Fünf Tage, 500Km, Schnur gerade Straße, außer Sand nichts zu sehen und alle Menschen gucken ernst, ganz besonders die mürrischen Grenzbeamten. So unsere Vorstellung. Aber wir werden eines Besseren belehrt.

Am 5. Mai verabschieden wir uns bei unserer Gastfamilie in Karadsch. Wir bekommen sogar noch ein kleines Abschiedsgeschenk und Proviant mit auf den Weg. Wir schwingen uns auf die Räder und schon nach wenigen Metern Fahrt winken uns die Menschen wieder fröhlich zu und rufen uns ihr „welcome“ oder „thank you“ zu. Bis zum Busbahnhof sind es zwar nur 8Km, aber trotzdem: Wir sind unglaublich fröhlich. Die Reise geht nach so langer Pause endlich weiter und wir sitzen wieder auf den Rädern.
Das erstemal heißt es für uns die Räder im Laderaum eines Busses zu verstauen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten passt alles und wir sitzen im Bus. Am nächsten Morgen erreichen wir Mashhad. Die Räder haben die Fahrt gut überstanden. Auf direktem Wege geht’s zur Turkmenischen Botschaft wo wir unser letztes fehlendes Visum abholen wollen. Die Wartezeit geht schnell um, da wir mit Daniel aus Belgien ins Gespräch kommen. Er spricht uns vor der Botschaft an:“ Ah, ihr seid die Deutschen mit den Bambusrädern. Hab von euch gehört“. Ja, irgendwie scheinen alle Radreisenden über irgendwelche Ecken miteinander connected. 15 Minuten später bekommen wir unsere Pässe inklusive Visum zurück durch die winzige Lucke geschoben. Juhu!

10.Mai
Unsere Wecker klingelt um kurz nach sechs. Wir wollen früh an der Grenze sein um soviel Zeit wie nur irgend möglich in Turkmenistan zu haben. Nachdem wir drei (haben gestern Maxim aus Frankreich kennen gelernt und beschlossen die vor uns liegende Etappe gemeinsam zu meistern) in einem kleinen Supermarkt direkt gegenüber der Grenze unsere letzten Iranischen Rial in Turkmenische Manat getauscht haben lassen wir die Grenzprozedur über uns ergehen.

Auf der Iranischen Seite warten wir eine halbe Stunde darauf, dass der Grenzbeamte unsere Reisepässe kontrolliert hat. Wir trösten uns damit, dass der arme Kerl zum prüfen der Pässe wohl möglich Internet benötigt und das ist hier eben unfassbar langsam. Nächster Schritt ist die Gepäckkontrolle. Stichprobenartig muss jeder von uns zwei Taschen abbauen und zum durchsuchen auspacken. Wir freuen uns das wir nicht alles ausräumen müssen, trotzdem dauert es, bis alle Taschen wieder auf den Rädern verstaut sind. Vor der abenteuerlichen, einspurigen Grenzbrücke dürfen wir dann zum vierten mal unsere Reisepässe vorzeigen. Die Soldaten and der Grenzbruecke sind sehr freundlich und rufen einen Kameraden der Englisch spricht. Der schien gerad geschlafen zu haben denn er ist sichtlich durch den Wind. Er begruesst uns im Namen aller anwesenden Kameraden, Khomeini, Khameini und des gesamten iranischen Volkes und heisst uns im Iran willkommen. Wir gucken irritiert da wir 10 Meter vor der Grenze stehen. Er faengt sich aber schnell und hebt zu einer richtigen Rede an. In dieser wird mal wieder betont das wir hier in einem sicheren Land seien aber Turkemenistan natuerlich unsicher sei und wir mit unangenehmen Begegnungen zu rechnen haetten. Jaja, das kennen wir. Das Fremde ist suspekt. Wir denken die sollten alle mal ein bisschen mehr reisen. Vorweg bemerkt: Wie immer hatten wir keine Probleme und sind ausschliesslich auf sehr freundliche und ehrliche Menschen gestossen. Polizei und Militaer eingeschlossen.

Auf der turkenischen Seite werden die Pässe ein weiteres mal geprüft. Nachdem wir 12$ Steuer pro Person zahlen mußten ist der Grenzbeamte interessiert daran ein paar Worte deutsch zu lernen. Ebenso erkundigt er sich danach ob wir verheiratet seien. Die nächste Frage ist dann wie schon so oft die Frage mach Kindern. Seine Reaktion auf unsere Antwort:„ Keine Kinder? In Turkmenistan sind wir drei Jahre verheiratet und haben drei Kinder!“. Die Gepäckkontrolle ist das mühsamste. Wobei es den armen Maxim am schlimmsten trifft. Seine Taschen werden nämlich als erstes durchsucht. Vier Beamten räumen gleichzeitig sein gesamtes Gepäck aus und lassen ein riesen Chaos zurück. Da Tim und ich zu zweit sind können wir ein großes Durcheinander vermeiden. Ich räum die Taschen aus, Tim packt parallel wieder ein. Besonders gründlich wird unser kleines Fotoalbum „geprüft“, dann merken wir dass das Interesse der Beamten nachlässt und immer weniger sorgfältig geschaut wird. Tim muss am Ende nur noch eine Tasche aufmachen und wird dann durch gewunken. Die Räder werden erneut bepackt, die Pässe noch weitere drei male vorgezeigt und dann haben wir es tatsächlich geschaft. Wir sind in Turkmenistan!

Wenige Meter hinter der Grenze setzen wir uns in den schmalen Schatten einer Mauer und holen unser Frühstück nach. Gestärkt starten wir am spätem Vormittag unsere erste Etappe. Es geht Kilometer für Kilometer gerade aus durch die Steppe. Aber anders als erwartet ist es recht grün. Unterwegs begegnen wir frei laufenden Kamelen. Soweit sind wir also schon gekommen. Die Kamele laufen gemächlich entlang der Bahnschienen und lassen sich auch vom herannahendem Zug nicht aus der Ruhe bringen. Wir passieren entlegene Dörfer und freuen uns in einem dieser Dörfer sogar eine kalte Cola kaufen zu können. Die Frauen im „Supermarkt“ tragen so wie alle Turkmenen farbenfrohe Kleider. Es ist schön sie ausgelassen lachen zu sehen, wobei uns ein paar Goldzähne entgegen blitzen und sich ungezwungen ihn gegenüber verhalten zu können. Hier wird uns ein starker Kontrast zu Iran sehr deutlich. Während wir darauf warten das unsere Cola im Gefrierschrank noch kälter wird, werden wir von den Frauen mit Tee und Gebäck versorgt.

Bereits diese Begegnung am ersten Tag zeigt uns das unsere Entscheidung nicht hitchhikend in die Märchen /- Geisterstadt Ashgabat zufahren sondern mit dem Fahrrad abseits vom Prunk das wirkliche Leben kennen zu lernen die Richtige ist.

Auch wenn das Land bewachsener ist als erwartet, es gibt auch lange Abschnitte wo es weit und breit nur Sand und ein paar Büsche zu sehen gibt. Manchmal ist es richtig schwer der Mittagshitze zu entfliehen und ein schattiges Plätzchen zufinden. Wenn man so in der prallen Sonne in die Pedale tritt und einem das Termometer 47,5°C anzeigt hört bei mir der Spaß langsam auf. Bis 43°C macht mein Körper noch gut mit, bei steigender Temperatur fängt er aber an sich in regelmäßigen Abständen zu beschweren. So hab ich jedenfalls das Kältegefühl interpretiert, das mich immer wieder überkommt.

Überall wo wir hier Menschen treffen wird uns fröhlich zugehupt und zugewunken. Oft kommen wir an Feldern vorbei auf denen ein paar Leute in anstrengender Handarbeit mit einer Schaufel den Boden bearbeiten. Unglaublich, wieviel Arbeit da manche leisten, damit andere was zum Essen haben. Die Arbeit hält sie aber nicht davon ab wenn wir vorbeikommen kurz inne zu halten und uns fröhlich zuzuwinken. Ebenso erleben wir es auch bei mehreren Baustellen die wir passieren: Motivierende Zurufe, Winken und sogar der Baggerfahrer hubt für uns.

Unsere Sonnencreme ist innerhalb weniger Tage aufgebraucht. Jetzt heißt es entweder Sonnenbrand riskieren oder wieder in die langärmeligen und langbeinigen Klamotten zusteigen. Die Hitze führt dazu das der Hunger immer weniger wird. Dafür trinken wir bestimmt mehr als sechs Liter pro Tag. Unsere Pausen werden wenn möglich so getacktet, das wir ein kalte Cola trinken können. Das ist einfach das Beste wenn man ansonsten die ganze Zeit nur heißes Wasser trinken kann. Wenn Tim vor einem Kühlschrank steht und statt zum Bier zur Cola greift, dann heißt das schon einiges. Manchmal ist aber auch weit und breit kein Shop in Sicht, was dann schonmal durchaus auf die Stimmung schlägt.

Meistens führt die Hitze aber nicht zur Beeinträchtigung der Laune. So stellt Tim bei unserer Mittagspause fest, dass ich eine kleine Salzkartoffel sei. innen Stärke und außen Schmutz und Salz. Ich nehme es als Kompliment und zumindest zur Außenschicht ist es tatsächlich eine passende Beschreibung. Auf der Schicht von Sonnencreme und Schweiß bleibt der ganze Staub sehr hartnäckig kleben. Als ich wieder auf dem Fahrrad sitze denke ich aber eher an Ofenkartoffel. ? Immerhin ein zusaetzlicher Sonnenschutz.

  1. Mai
    Auch die Turkmenen haben Humor. Es kommt ein Bauer zu uns, auf dessen Land wir gerade unter ein paar Bäumen Schatten gefunden haben. Als erstes bietet er uns an unsere Wasserflaschen aufzufüllen, dann betrachtet er mit großem Interesse unsere Räder. Ganz am Ende kommt es zu einem kleinen Smalltalk mit Händen und Füßen. Der Bauer fragt Maxim ob ich zu ihm gehöre. Als klar ist das ich Tims Frau bin wendet er sich an Tim. Er möchte das ich dort bleibe und bietet neben einer unbestimmten Summe an Geld auch noch eine Kuh. Maxim schlägt 50 Liter kaltes Bier vor. Tim meint 10 Kilo Eis dazu wären auch nicht verkehrt. Pah, sollen die beiden mal zusehen. Mit den 50 Litern Bier kommen die keinen Meter weit und das Eis ist sobald es die Gefriertruhe verlässt geschmolzen.

Heute erreichen wir Mary. Dort angekommen suchen wir ein Hotel. Merdan kommt uns zur Hilfe. Er hat drei Jahre in London studiert und spricht daher super englisch. Merdan hilft uns bei der Hotelsuche und handelt für uns sogar noch einen beträchtlichen Rabatt aus. Abends lädt er uns zum Essen in ein Restaurant ein. Hmmmh. Super leckere Turkmenische Küche. Während des Essens haben wir viel zeit uns auszutauschen. Vielen Dank Merdan und viel Erfolg für deinen Froschmarket!

  1. Mai
    Der Schlaf in dem kühlen, dunklem Hotelzimmer war so tief wie schon lange nicht mehr. Morgens bekommen wir ein leckeres Frühstück serviert. Welch ein Luxus. Wir kommen erst spät los, was bedeutet das bereits 33°C im Schatten sind als wir auf den Rädern sitzen. Gerade als wir die Stadt verlassen sehen wir einen alten Lada am Straßenrand stehen, dessen Fahrer aussteigt und uns zum Halten auffordert. Als wir bei ihm zum Stehen kommen begrüßt er uns freundlich und drückt jedem von uns eine kalte Dose Pepsi in die Hand. Wow! Damit hätten wir gerade gar nicht gerechnet. Super erfrischend und super lieb. Unsere heutiger Pausenplatz unter einem kleinem Busch ist nicht perfekt, aber das einzige schattige Plätzchen weit und breit. Als wir gerade dabei sind unsere Sachen zusammen zu packen sehen wir in der Ferne eine Herde Tiere die sich auf uns zubewegt. Wenig später ziehen Kühe und große Kamele an uns vorbei. Geführt wird die Herde von zwei Reitern auf Eseln und einem Reiter auf einem riesigen Pferd. So ein großes Pferd hab ich noch nie gesehen. Eine sehr faszinierende Szene. So stellt man sich die Seidenstraße vor.
  2. Mai
    Heute werden die letzten Kilometer bis zur Usbekischen Grenze gefahren. Bei unserer ersten Pause, natürlich gibt es wieder eine kalte Cola (Benzin für Radreisende) bekommen wir von der Verkäuferin noch ein Eis geschenkt. Dann gehts weiter. Nach 75km erreichen wir die Grenze. Auch hier sind die Grenzbeamten wieder nett und hilfsbereit. Die Grenzkontrolle verläuft schnell und Komplikationslos. Wir werden gefragt ob wir illegale Dinge aus Turkmenistan ausführen, zum Beispiel einen Teppich. Ich erzähle dem Soldaten ein bisschen über unsere Reise und was in unseren ganzen Taschen drin ist. Für einen Teppich ist da mit Sicherheit kein Platz versichere ich ihm. Am Ende muß nur Tim eine seiner Taschen öffnen. Die Beamten entschuldigen sich geradezu dafür. Wie bei allen Grenzen zeigen wir auch hier etliche Male unsere Reisepässe bei verschiedenen Personen vor, bis wir endlich ausgereist sind und vor der Usbekischen Grenze stehen.

Turkmenistans Menschen haben uns sehr begeistert. Sie halten eine angenehme Distanz, sind etwas zurückhaltend, dabei aber super lieb, fröhlich und hilfsbereit. Die Sonne brennt heiß, durch den Fahrtwind ist die Temperatur aber meistens (nicht immer) auszuhalten. Radreisende schreiben meistens von starken Gegenwind, es kann aber auch mal anders sei . Wir hatten meistens leichten Rückenwind.
Turkmenistan war eine tolle, heiße, große Überraschung.

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